Die Gründer kommen zu Wort
Auszüge aus der Festrede unseres ersten Vorsitzenden Jacob Vollmar zum 50-jährigen Vereinsjubiläum
Wenn ich in dieser Jubiläumsstunde namens der Gründer des Fußballklubs 09 Neukirchen einige Wort zu Euch sprechen darf, so sollen diese zunächst der Erinnerung an jene Zeit gewidmet sein, in der wir -landläufig gesprochen- den Fußballclub aus der Taufe gehoben, ihn sozusagen auf die Beine gestellt haben. Das ging zwar nicht urplötzlich, von heute auf morgen, denn auch damals galt schon das Wort: „Gut Ding will Weile haben.“ Vielleicht möchte der eine oder andere ergründen, warum wir uns gerade dem Fußball verschrieben haben. Ja, ein Gemütlichkeitsklub hätte uns nicht zum Ziel geführt, hätte uns nicht zufrieden stellen können. Auch wir haben damals schon gern getanzt und auch mal gefeiert. Zwar nicht in dem Umfang, wie das heute möglich und üblich ist. Wir Jungens waren es damals leid, in der nach heutigen Begriffen zwar kargen Freizeit ohne Bindung an etwas Strafferes, Zielgebendes zu sein. Aber was konnte da in Frage kommen? Was wäre wohl aus einer Gemütlichkeitsvereinigung geworden? Konnte es ein Turnverein sein? Dazu fehlte es damals an jeglicher Voraussetzung, wenigstens nach unseren Begriffen. Es fehlten die interessierten Älteren, die so etwas in die Hände nehmen mussten. Es fehlten Halle oder Saal und die verhältnismäßig teueren Geräte. Da war es unser Mitbegründer Heinrich Reidelbach, der kurz und bündig sagte: „Dann gründen wir einfach einen Fußballclub!“. Diese Worte hatten es in sich. Aber wer kannte schon einen wirklichen Fußball, geschweige, wer hatte schon mal ein Fußballspiel gesehen? Gewiss, der eine oder andere kannte schon Namen von Klang - Borussia Fulda, Hanau 93 - hatte auch schon einmal bei einem Spiel zugeschaut. Ich persönlich habe zum ersten Mal im Jahre 1906 in Wiesbaden ein Spiel der dortigen Spielvereinigung gegen Hanau 93 gesehen. Es war für mich faszinierend. Aber so etwas - selbst in primitivster Anfangsform - in unser kleines Dorf verpflanzen, es dort einführen? Schier unmöglich. Was würden die Leute sagen? Und zu diesen Leuten gehörten auch unsere Eltern. Der von Reidelbach geworfene Funke hatte gezündet, es gab von da ab kein anderes Thema mehr bei unseren Zusammenkünften, die fast täglich nach Feierabend im Oberdorf auf der Straße oder auf einem Hof stattfanden. Wie steht es, wie weit seid Ihr? Wo aber war der Platz? Das dürre Teil!“ rief einer. Wer kennt diese ehemalige Gemeinde-Wechselwiese noch? Sie liegt im heutigen Sportplatz, schmal wie ein Handtuch, etwa ein Viertel entgegen seinem Namen nass. In der Nähe des einen Tores ein Rain. Aber an einer Seite grenzte eine schöne ebene Wiese an den künftigen Sportplatz. Hätten wir von dieser nur einen entsprechenden Streifen dazu, dann hätten wir zur Not einen Platz. Aber dieser Streifen war in festen Bauernhänden. Ohne diesen konnte der Fußball nicht rollen. Wie oft waren wir beim alten Hagemann mitunter stundenlang. In unseren Unterhaltungen kamen wir vom Henkelchen ins Töpfchen, aber unser Ziel behielten wir im Auge. Ungünstige ablehnende Einflüsterungen von außen traten hinzu. Dennoch hatten wir nach einigen Rücksprachen das Gefühl, dass es uns gelingen würde, da Eis aufzutauen. Ich vergesse nicht, wie sich u.a. Konrad Doll und insbesondere auch Kraft Manns als aufgeschlossener Jungbauer verdient gemacht hat. Alter und junger Bauer, alte und neue Zeit trafen sich hier in Rede und Gegenrede gegenüber. Endlich bekamen wir die Zusage. Leicht war es H. nicht geworden. Aber wir waren erleichtert und frei, weil die Platzfrage vorerst geregelt war. Nun konnte das Weitere eingeleitet werden. Hier möchte ich anfügen, dass H. später doch einmal knirschend zugesehen hat, wie beim Spiel der Ball öfter die Seitenlinie überflog und aus seinem Gras geholt werden musste. „Am besten ist es, man guckt Euch nicht zu!“ Aber er hat Wort gehalten. Gern erkennen wir hierbei noch an, dass uns in der Folgezeit noch mancher Bauer Einräumungen gab, dass wir nach dem Grasschnitt uns besonders für Spiele mit anderen Vereinen besser platzieren konnten. Mit einer Unterstützung durch die Gemeinde konnte nicht gerechnet werden. Es war tatsächlich nicht möglich, das erkannten wir ohne weiteres an. Immerhin stand sie uns in ihrer Leitung wohlwollend zur Seite. So sind wir ganz primitiv angefangen. Ich darf heute anführen, dass einem kleinen Kreis der Gründer doch manches Mal ein mehr oder weniger starkes Grausen überkam. Was sollte werden, wenn einmal eine Verletzung schwererer Art eintreten würde? Wer war krankenversichert? Kaum einer! Eine Unfallversicherung kannten wir nicht. Jeder trug dieses Risiko oder konnte es auf einige umgewälzt werden? Keiner von uns war geschäftsfähig, geschweige volljährig. Hafteten die Eltern. Konnten wir es verantworten, dass einer mal auf längere Zeit dem elterlichen Betrieb, in dem er dringend gebraucht wurde, fernbleiben muss? Dazu noch die entstehenden Unkosten. Diese Sorgen haben wir nicht an die große Glocke gehängt. Dann hieß es: "Wir müssen über diesen Strohhalm hinwegkommen“. Und sollte mal wirklich so ein Fall eintreten, dann helfen wir alle mit, damit die Arbeit nicht stockt. Und der, der etwa nicht mitmachen wollte, der könnte was erleben! Man könnte nun manche muntere Einzelheit her ausstellen. Wie oft waren 20 Mann in einem Knäuel hinter dem Ball her. Die „Fußballneulinge“ waren inzwischen Enthusiasten geworden, vergaßen oft alles um sich herum. Sie sahen nur noch den Ball, hatten sich förmlich in ihn verliebt und fieberten auf den Sonntag. Mit welchem Muskelkater musste sich manch einer montags abplagen. Es gab ergötzliche Bilder. Sie kamen wohl auf den Erntewagen herauf, wussten aber oft nicht, wie sie wieder herunterkommen sollten. dazu mussten sie anerkennende Worte der Väter einstecken: Ja, ja, wir hatten gestern Sonntag. Manch muntere Episode hat sich abgespielt. Eine, die ich erst kürzlich gehört habe, will ich anführen, denn sie ist köstlich Die Gussstange eines Tores war gebrochen. Reidelbach zu Heinrich Noll: „Los, zum Sattler und guten Bindfaden geholt, aber geschwind." Als er zurückkam, hieß es nur: „Na?“. „Er hat gesagt, der Bindfaden kostet 60 Pfennige!" - "Was, der kriegt gar nichts, der kann für uns auch etwas tun." So war bei uns der Anfang und doch war die Zeit für uns schön. Wir hatten ein Ziel, wussten, wohin wir gehörten. Freude am Spiel, wirkliche Kameradschaft, auch eine solche zwischen den "großen" und den "kleineren" Jungen war selbstverständlich. Mann muss sich den gewaltigen Unterschied von ganzen drei Jahren hierbei vor Augen halten. Im Allgemeinen waren wir aber nicht zimperlich, wenn es darauf ankam. Ich glaube, wir hatten sogar eine Strafkasse, in die jeder fehlende Spieler blechen musste. Und ich glaube auch mich entsinnen zu können, dass "gehorcht" werden musste! Was ist das doch für ein grässliches Wort! Man hört das heute nicht mehr gern, ich selbst auch nicht. Aber man kennt heute im Sport ein anderes Wort: Einordnen, einfügen. Es hört sich gelinder an, trifft aber den Kern in gleicher Weise. Nur ist hier für einen alten Begriff ein neues Wort geprägt. Unsere Anfangsentwicklung wurde durch den 1. Weltkrieg, der auch einige Lücken riss, zerschlagen. Im Jahre 1919 - bei unserem 10-jährigen - hatte ich den Eindruck, dass noch unter der Mitarbeit einiger Gründer wieder neues Leben in den Club kam. Und für Folgezeit müssen wir Gründer anerkennen, dass nicht nur ersprießlich, sondern sehr intensiv, aufopfernd und erfolgreich unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet worden ist. Wir danken unseren Nachfolgern für diese Arbeit recht herzlich. Sie haben sich ganz besonders verdient gemacht. Sie haben weitaus mehr geleistet als wir. Gewiss, wir haben den Grund gelegt, aber ihr habt das Haus auf- und ausgebaut. Wir freuen uns über diese Leistung ehrlich. Es ist für uns Alten an diesem Tage die schönste Freude. Euch ist es zu verdanken, dass wir diesen Jubeltag erleben durften. Und nun zu den aktiven Sportlern noch einige Worte: Der Sportler, insbesondere der Fußballer, gehört sich nicht selbst, sondern der Fußballsport in seiner Eigenart zwingt jeden von euch zu einer Gemeinschaftsleistung, die einem größeren Kreis zugute kommt, dem sie ein bestimmtes lebensbejahendes Gepräge gibt. Der Einzelne muss sich in mancherlei Art einordnen, zur Erreichung dieses Zieles. Würde er das alles so ohne weiteres aus sich heraus tun können, wenn er zur inneren Festigung und zur Bejahung des Lebens keinerlei Einfluss von Seiten des Elternhauses und den beiden großen Erziehungsinstitutionen unseres Volkes (Schule und Kirche) erhalten würde? Wohin würden sich insbesondere die jungen Menschen verlieren, wenn dieses völlig fehlen würde? Im Zeitalter der Technik gehört der Sport in einem sich immer steigenden Umfang zur Erziehung der aufwachsenden Generation. Das ist und bleibt eine Tatsache. Für die intensiv Sport treibende Jugend gibt es auch kein sogenanntes Halbstarkenproblem, denn für sich ist dieses Problem von vornherein gelöst. An der Schwelle des Alters stehend, möchte ich bekennen, dass ich an die Jugend und an die Erfüllung der Aufgaben, die sie in der kommenden Generation zu meistern haben wird, glaube. Deshalb glaube, weil die Jugend zu allen Zeiten die Aufgaben gelöst hat, die zur Erfüllung in ihrem Bereich heranstanden. Und warum sollte das in der Zukunft anders sein? Es ist ganz offensichtlich, dass der Sport einen wesentlichen Anteil an der Gestaltung der menschlichen Gemeinschaft gewonnen hat. Und nun jungen Fußballer, ordnet euch auch weiterhin vorbehaltlos ein, arbeitet an Euch selbst, wie eure Vorderen das auch getan haben. So wünschen wir Gründer dem FC 09 Neukirchen einen guten Start in das nächste halbe Jahrhundert.